Themen und Werte

„Den Sozialismus werden wir gemeinsam aufbauen.“
Kommunisten und die Frauenfrage

„Den Sozialismus werden wir gemeinsam aufbauen.“Die TKP veröffentlichte 2018 eine Broschüre mit diesem Titel über den Kampf der Kommunisten auf dem Gebiet der Frauenfragen. Ein Abschnitt aus dieser Broschüre wurde auch in dem Heft Nr. 8 der INITIATIVE veröffentlicht. Hier befindet sich das in 15 Punkte zusammengefasste Konzept der TKP:

1.
Die Organisierung der Frauen ist für die Kommunisten von großer Bedeutung nicht nur deshalb, weil sie einen quantitativ wichtigen Teil der Arbeiterklasse bilden, sondern auch weil sie, trotz dieser Realität und trotz ihrer potenziellen Stärke, sich relativ wenig an dem Kampf um die Krisen des Kapitalismus in revolutionäre Krisen umzuwandeln beteiligen.

2.
Die Kommunisten teilen während der Organisierung der Arbeiterklasse diese nicht in Segmente auf. Deshalb darf das Ziel der Arbeit der Organisierung der Frauen nicht die Isolierung der Frauen innerhalb der Klasse dienen, sondern zur Unterstützung der Stärkung der Frauen, die es schaffen, innerhalb der Klasse zu existieren. Jedoch benötigen die Kommunisten die Definition spezieller Mittel, um an die Massen der Frauen, die im Kapitalismus unter der doppelten Ausbeutung leiden und aus der Gesellschaft und der Politik ausgegrenzt werden, näher zu kommen, und um diese Massen der Frauen zu organisieren. Insofern besitzt die Existenz der kommunistischen Frauen, die als werktätige Frauen selbst unter den geschlechtsbedingten Problemen der Frauen leiden, eine außerordentliche Wichtigkeit bei der Aufklärung und Organisierung der werktätigen Frauenmassen. Die besondere Eigenschaft der kommunistischen Frauen besteht darin, dass sie ein Klassenbewusstsein haben. Mit ihrem Klassenbewusstsein und ihrem verändernden und umwandelnden Willen übernehmen die kommunistischen Frauen die Führung bei der Organisierung der werktätigen Frauen im Kampf für den Sozialismus.

3.
Kommunstische Frauen haben keine separaten Einheiten. Ihr Platz ist in der Partei, in der sie die gleichen Rechte und Pflichten wie die kommunistischen Männer haben. Weil jedoch außerordentliche Vorkehrungen zur Erreichung und Organisierung der Frauenmassen notwendig sind, kann in bestimmten Phasen des Kampfes eine Frauenorganisation, mit dem Ziel der Erhöhung des Beitritts von arbeitenden, lernenden, städtischen und auf dem Dorf lebenden Frauen aus allen Altersgruppen zum organisierten Kampf, als Zwischenfläche gegründet werden. Auch die Frauen ansprechende Publikationen können zu den Mitteln des Kampfes der Kommunisten gehören. Hier soll ein Grundprinzip gelten: Beim Eingehen auf „spezielle“, besonders die Frauen betreffende Probleme und auf die aus diesen Problemen resultierenden Forderungen, muss man diese Forderungen mit dem Kampf für den Sozialismus verbinden und somit eine Methodik, die den Kampf stärkt, entwickeln.

4.
Für kommunistische Parteien ist es eine Pflicht, die aktuellen Probleme anhand der dialektischen Methode zu analysieren, ihre Verbindung mit dem Historischen herzustellen und einen Kampf ausgehend aus ihrem Klasseninhalt zu führen.

Neben den Problemen – wie z.B. Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung, Lohnungleichheit -, die der Arbeiterklasse unmittelbar zuzuordnen sind, gehören zum Kampf der Arbeiterklasse auch die Probleme der Frauen, unter welchen sie aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind, leiden. Deshalb müssen die kommunistischen Parteien beim Setzen dieser Themen, die die Quelle und der Katalysator der aus geschlechtsspezifischen Gründen resultierenden zusätzlichen Ausbeutung der Frauen sind, in die Tagesordnung des Kampfes sorgfältig und entschlossen sein.

5.
Obwohl es selbstverständlich ist, dass die kommunistischen Frauen in dem Kampf für die Befreiung der Frauen im Vordergrund stehen, muss die Idee, dass der Kampf der Frauen nur den werktätigen Frauen gehört, endgültig zur Seite gelegt werden. Man muss sich entschieden gegen die Bemühungen der Liberalen und einiger Feministen, die Männer von diesem Kampf fern zu halten, stellen. Denn dieser Kampf kann nur durch die Teilnahme aller Werktätigen erfolgreich sein. Die Quellen der Ungleichheit gegenüber den Frauen und der Unterdrückung der Frauen sowie ihre untrennbare Verbindung mit dem Klassenkampf zu begreifen und den die Frauenfrage betreffenden Kampf sich anzueignen, liegt deshalb in der Verantwortung aller Kommunistinnen und Kommunisten. Ein Kampf der Frauen, der nicht von allen KommunistInnen angeeignet ist, wird den Klassenkampf der Arbeiterklasse ebenfalls abschwächen.

6.
Die Organisierung der Frauen im gesellschaftlichen und politischen Kampf ist eine Aufgabe der Kommunisten, die fundamental ist und nicht hinausgezögert werden kann.

Die Partei, als das modernste und am meisten entwickelte Instrument dieses Kampfes, soll sich deshalb im Innern von allen, die Frauen in eine sekundäre Rolle versetzenden Regelungen befreien. Sie soll sich von formellen Maßnahmen wie „die Schaffung von Frauen-Kontingenten“, die im Grunde genommen die Frauen erniedrigen anstatt das Problem zu lösen, fern halten und stattdessen die politische Kultur, die die Männer in den Vordergrund stellt, mit revolutionären Methoden beseitigen. Außerdem müssen bewusste Vorkehrungen getroffen werden, damit das Eindringen einer konservativen Kultur in die kommunistische Partei verhindert wird.

7.
Der Weg, der die Verantwortung der Frauen innerhalb der Partei erhöht, ist nicht das System der positiven Diskriminierung und der Co-Präsidentschaft, das als Wiedergutmachung der Unterdrückung innerhalb der Gesellschaft und in der Politik präsentiert wird. Ganz im Gegenteil legitimieren diese Maßnahmen die sekundäre Rolle der Frauen. Dass Frauen zu politischen Führern werden, ist möglich unter der Voraussetzung der Schaffung von organisatorischen Mechanismen, die ihr politisches Auffassungsvermögen und Kenntnisniveau erhöhen und gleichzeitig ihre persönliche Beiträge ermöglichen.

8.
Obwohl die Gleichheit der männlichen und weiblichen Mitglieder eine prinzipielle Haltung unter den KommunistInnen ist, ist ein erheblicher Teil der Frauen dazu gezwungen, ihr Leben und ihren organisierten Kampf unter dem vom kapitalistischen System aufgezwungenen Druck zu führen. Im Hinblick auf diese objektiven Realitäten muss die kommunistische Partei Mechanismen kreieren, die die Bildung der weiblichen Mitglieder und die Verantwortungsübernahme durch die weiblichen Mitglieder erleichtern. Die Erhöhung der parteiinternen Verantwortungsübernahme der Frauen wird die weiblichen Mitglieder und somit die Partei stärken. Die Frauen, die sich in der Partei stark fühlen, werden dadurch auch ihre Fähigkeit, ihre Bekanntenkreise im gesellschaftlichen Leben umzupolen, weiter entwickeln.

9.
Der Frauenkampf in der Türkei darf die durch die bürgerliche Revolution geschaffenen, und jedoch später durch die Bourgeoisie selbst vernichteten historischen Errungenschaften nicht verachten. Diesen Errungenschaften eine neue Klassenbasis zu verleihen, und zu zeigen, dass diese Errungenschaften durch die Befreiung der Arbeiterklasse weiter entwickelt werden können, muss eines der Grundprinzipien der Kommunisten bei der Frauenarbeit sein.

10.
Die Trennung des Kampfes für die Säkularisierung von dem Kampf für den Sozialismus dient als ein Vorwand für die Hinauszögerung des Ziels der Errichtung des Sozialismus – genau wie die reformistischen Strategien, die die Zielsetzungen wie z.B. „Demokratie“, „Unabhängigkeit“ oder „anti-monopolistisches System“ in den Mittelpunkt setzen. Dies ist eine Gefahr für die kommunistische Bewegung. Die Religion in der Türkei ist – genau wie in dem gesamten Nahen Osten – nicht nur ein vorkapitalistisches Faktum. Die Wichtigkeit der Rolle der Religion in der Gesellschaft und Politik nimmt, als ein unmittelbares Ergebnis der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, zu. Deshalb darf der Kampf für den Laizismus nicht als eine Etappe vor dem Kampf für den Sozialismus aufgefasst werden, sondern er muss als eine verstärkende und Energie gebende Komponente des Kampfes für den Sozialismus gesehen werden.

11.
Die kommunistische Bewegung kann in der Türkei die arbeitenden Frauen nur mit einem modernen, städtischen und den Freiheitskampf wertschätzenden Charakter organisieren. In allen Ansiedlungen, in denen die Frauen einen Widerstand zur religiösen Reaktion leisten, ist es festzustellen, dass die Frauen intensiv an dem Produktionsprozess beteiligt sind. Es ist eine offenkundige Tatsache, dass die arbeitenden Frauen sich von dem Einfluss der konservativen Ideologien schneller befreien.

12.
Es müssen verstärkte Bemühungen zur Verbindung des Kampfes gegen allgemein verbreitete Probleme – wie z.B. Vergewaltigungen, Gewalt an Frauen, Ehrenmorde usw. – mit dem Klassenkampf unternommen werden. Andernfalls trennen Themen dieser Art die Frauen von dem Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals und umpolen sie zum Kampf gegen die Männer. Die kommunistische Bewegung darf aus menschlichen, ethischen und politischen Gründen zu diesen Themen nicht distanziert bleiben. Es ist möglich, all diese Themen mit der Organisierung der Arbeiterklasse und dem Kampf für den Sozialismus zu verbinden.

13.
Der Kapitalismus beutet nicht nur den Körper oder die Geschlechtsidentität der Frau aus, sondern auch ihre Arbeitskraft. Deshalb reicht die Erkämpfung von manchen juristischen und sozialen Rechten, die vermehrte Beteiligung der Frauen am Arbeitsleben oder die Vermehrung der Bildungsmöglichkeiten für die Frauen für die Befreiung der Frauen nicht aus. Die Aufgabe der Kommunisten besteht darin, während des Kampfes gegen jede Art der Unterdrückung und der Gewalt gegenüber den Frauen, diese Realität der Ausbeutung zum Vorschein zu bringen und zu erklären, dass – sowohl für die Männer, als auch für die Frauen – eine reale Freiheit und Gleichheit/Emanzipation nur in einem anderen System, nämlich im Sozialismus möglich sein kann.

14.
Dass der Aufbau des Sozialismus eine Vorbedingung für die Befreiung der Frauen ist, bedeutet nicht, dass die Behandlung der allgegenwärtigen Probleme der Frauen bis dahin hinausgezögert werden darf. Deshalb sind die gegenwärtige Wahrnehmung der alltäglichen Probleme der Frauen durch die Kommunisten und die Schritte, die sie für die Lösung dieser Probleme machen, wichtig.

Die Tatsache, dass die Befreiung der Frauen und die reale Gleichheit und Freiheit nur nach der Aufhebung der Klassen durch die Macht der Arbeiterklasse möglich sein werden, darf nicht die Tatsache, dass die Frauen gegenwärtig zunehmend mehr unterdrückt, der Gewalt ausgesetzt und sogar zunehmend mehr ermordet werden, nicht in den Hintergrund rücken lassen.

15.
Die Kommunisten dürfen im Kampf der Frauen mit den Auffassungen, die auch die kapitalistischen Frauen in den Kampf einbeziehen wollen und die keine Klassenperspektive besitzen, nicht kooperieren oder alliieren. Trotzdem wäre eine sektiererische Haltung, die im Namen der ideologischen Reinheit zu einer Isolierung vom Kampf führen würde, im Fall der Verteidigung der sich unter dem Angriff der bürgerlichen Reaktion befindenden Errungenschaften des bürgerlichen Modernismus, im Fall von konkreten Themen des Kampfes und im Fall der Verbreitung dieser Kämpfe unter den Massen eine falsche Haltung.

Ganz im Gegenteil: Die Kommunisten sollen die am meisten entwickelten Komponenten eines solchen Kampfes darstellen. Die Entstehung einer Bewegung, die an die Frauenfrage ausgehend von einer klassenmäßigen Sichtweise herangeht, wird nicht am Ende eines Tages, sondern als das Werk einer geduldigen Arbeit zustande kommen.