Friede den Hütten! [1]
Derselbe Anblick seit vierzig Jahren
Die imperialistischen Mächte begannen unverfroren anzugreifen, wo immer sie wollten, als das sozialistische System, das sie zügelte, zerfiel; Märkte, Rohstoffquellen, Handelswege, Investitionsgebiete… Und so stehen wir seit vierzig Jahren vor demselben Anblick:
Beginnend mit Jugoslawien, Länder, die durch militärische Besetzungen zersplittert wurden, farbige (Konter-)Revolutionen, die von dunklen Mächten und Bürgerkriegen provoziert wurden, neu gezogene Grenzen… Zerstörte Städte und Dörfer, in denen Bomben keinen Stein auf dem anderen ließen … Vergiftete, mit Minen überfüllte Felder, zugrunde gegangene Tiere, abgebrannte Bäume und Aschewälder… Und natürlich Millionen Tote, Verletzte, Witwen, Waisen…
Doch wen kümmert’s? Die Bürgerkriegskatastrophe in Jugoslawien war längst vergessen. Jetzt geschah all dies im Nahen Osten, in Afrika, in Südamerika, irgendwo weit weg. Die große Mehrheit der Menschen, die am meisten unter diesen Angriffen litten, waren Arbeiter:innen, Werktätige und die Armen, die die Ordnung in diesen Ländern zu Arbeitslosigkeit und Armut verurteilte.
Krieg innerhalb Europas
Eine ähnliche Katastrophe kam mit der unerwarteten militärischen Intervention Russlands in der Ukraine. Als der Krieg erneut in die Grenzen Europas eindrang, brach Panik aus. Diesmal stand ein weiteres mächtiges kapitalistisches Land gegenüber, das einen Rückschritt angesichts der westlichen Imperialisten und der NATO nicht akzeptierte. Neben den „heißen“ Konflikten wurde mit dieser Besetzung erneut ein „kalter Krieg“ begonnen. Auch der Propagandaapparat der imperialistischen Aggressoren verstärkte seine Aktionen auf der ganzen Welt. Sie machten sich ans Werk, um die Völker der Welt mit schlagartigen Nachrichten, die von Lügenapparaten produziert wurden, und mit intensiver nationalistischer und rassistischer Propaganda vollständig zu blockieren.
Eine von Pro-Russen und NATO-Anhängern dominierte Friedensbewegung
Man erkennt, dass einige der linken und friedensfreundlichen Kräfte in den westlichen imperialistischen Ländern ebenfalls unter dem Einfluss dieser Propaganda stehen. Da sind diejenigen, die dafür werben, „für den Frieden zu rüsten“, „sofort Truppen und Waffen in die Ukraine zu schicken“, oder diejenigen, die „das Eingreifen der NATO, der offensiven Organisation des Imperialismus“ fordern. Da gibt es das nationalistische Delirium, das einzelne Russen als Ungeheuer darstellt, oder diejenigen, die den bewaffneten faschistischen Bataillonen der Nazis in der Ukraine patriotische Orden verleihen. Und auf andere Seite gibt es diejenigen, die Russland, das bereits ein durch und durch kapitalistisches Land ist, immer noch mit der Sowjetunion gleichsetzen, sie als eine Macht betrachten, die dem Imperialismus ein Ende setzen wird.
Ganz zu schweigen von den Bemühungen einiger rassistischer, nationalistischer und faschistischer Kreise, diese Situation auszunutzen. Auf Friedensdemonstrationen und Kundgebungen sind Transparente und Plakate zu sehen, die solche Gedanken zum Ausdruck bringen. Am gravierendsten ist, dass die meisten der Linken und der Friedensbewegungen in Deutschland keine Reaktion darauf zeigen. Dass solche rassistischen, nationalistischen und faschistischen Gedanken mitsamt ihren Bannern und Transparenten nicht aus ihren Reihen ausgeschlossen werden.
Das Schicksal einer Friedensbewegung ohne Klasseninhalt
Viele fragen: „Ist das alles, was von der Friedensbewegung übriggeblieben ist, die in den 80er Jahren Hunderttausende von Menschen entflammt hatte?“ Ja, das ist übriggeblieben. Was sonst? Das Ende einer Bewegung, die die wahre Ursache von Kriegen, ihre Klassengrundlagen, ignorierte und die sich allmählich in eine abstrakte pazifistische Position verwandelte, konnte nicht anders sein… Eine Bewegung, die sich der imperialistischen Konkurrenz, die Kriege verursacht, und der kapitalistischen Ausbeutungs- und Plünderungsordnung, die sie geschaffen hatte, nicht entgegenstellt, würde zu guter Letzt erlöschen. Was bleibt zurück, wenn nicht die auf der Grundlage des proletarischen Internationalismus emporsteigende Brüderlichkeit der Völker angestrebt und dies nicht als unbestreitbares Grundprinzip akzeptiert wird? Eine Friedensbewegung, die sich wie heute in den imperialistischen Propagandanetzwerken verfängt; deren manche Teile in die Falle der Rassisten und Nationalisten tappen; also eine Friedensbewegung, die sich nicht bewusst ist, wem sie letzten Endes dient, und eine Handvoll Menschen mit guten Absichten, die sich darüber wundern, warum die Friedensbewegung nicht in der Lage war, sich unter den Massen zu verbreiten!
Die Hauptaufgabe der Linken
Diese Schwäche und Verwirrtheit der Friedensbewegung ist ein Spiegelbild des Zusammenbruchs und der Desorganisation innerhalb der deutschen Linken, die sie eigentlich hätte führen sollen. Heute spricht man von der Gefahr eines dritten Weltkriegs. Viele vergleichen die Entwicklungen mit den Ereignissen vor dem Ersten Weltkrieg. In gewisser Weise haben sie Recht. Die imperialistischen Mächte entfachen den Kampf um Teilung und Hegemonie von neuem. Die Zeit, aus der Geschichte zu lernen, ist also schon längst gekommen.
Die Linke in Deutschland und insbesondere die Kommunisten, sollten so schnell wie möglich zu ihren Werkseinstellungen zurückkehren. Sie sollten aufhören, zuzusehen, wie die Ordnung im Namen der Realpolitik, ständig repariert und aufrecht erhalten wird.
Die Friedensbewegung muss vor leeren pazifistischen, flehenden Aufrufen befreit werden. Sie muss sich von Diskussionen über Kriegs- und Friedensfragen im Sinne eines weinerlichen bürgerlichen Humanismus distanzieren. Keine Empfehlung der Welt, die dieses Problem nicht von einem reinen Klassenstandpunkt angeht, kann den Massen die wirklichen Ursachen von Kriegen verständlich machen.
Die Forderung zum Beispiel, nach einer Welt frei von Krieg, Militarismus und Gewalt ist eine gute und berechtigte Forderung. Es ist jedoch nur leeres Gerede, wenn es kein offener Kampf gegen die Ursachen und Kräfte, die sie schaffen, angekündigt wird.
Es reicht nicht aus zu sagen, dass Kriege durch imperialistische Interessenkonflikte verursacht werden. Es sollte aufgedeckt werden, dass der Imperialismus aus dem Herzen des kapitalistischen Systems geboren wurde, und der Hauptfeind sollte adressiert werden. Der Kampf für den Frieden muss zu einem untrennbaren Bestandteil des Kampfes gegen dieses Ausbeutungssystem werden und auf dieser Grundlage neu aufgebaut werden.
Wie in der Geschichte fällt auch heute die Aufgabe, große Massen von Arbeiter:innen und Werktätigen in dieser Richtung aufzuklären und zu organisieren, in erster Linie den Kommunisten zu. Dies ist der Hauptgrund ihrer Existenz und ihre historische Aufgabe: Gegen diese kapitalistische Ordnung, die der Menschheit offensichtlich nichts als Ausbeutung, Armut und Krieg bietet, muss ein direkter Krieg geführt werden. Der Kampf für die einzige Alternative dazu, die eine egalitäre, gerechte und menschenwürdige Lebensordnung ohne Ausbeutung ist; der Kampf für den Sozialismus muss verstärkt werden.
Ob in der Ukraine oder in Russland… Ob in Deutschland oder in allen vom Kapitalismus abhängigen Ländern… Das Wichtigste, was den Arbeiter:innenn und werktätigen Massen unverzüglich klargemacht werden muss, ist: “Der Hauptfeind steht im eigenen Land!”[2]
Heute gibt es keinen anderen Weg, als den Kampf für den Frieden dauerhaft zu stärken und entschlossen gegen die Ausbeutung vorzugehen. Darum…
Krieg den Palästen!
Kommunistische Partei der Türkei
Deutschland Organisationen
[1] „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ , so lautet der Titel einer Flugschrift, das der deutsche Schriftsteller Georg Büchner (1813-1837) im Juni 1834 im Alter von nur zwanzig Jahren als „der Landbote“ gegen die Ordnung verfasste.
[2] „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“: Aus dem Flugblatt von Karl Liebknecht (1871-1919), einer der Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), im Mai 1915 gegen den ausbrechenden großen Kriegs.