„Was war los?“

Neue Transfers an die Spitze der Finanz der Türkei:

Ausgewählter Kader des Imperialismus hat das Sagen

Ist die Türkei, die einst die 20. der weltgrößten Wirtschaften war, auf dem Weg zum Bankrott?

Nach offiziellen Aussagen betrugen die Auslandsschulden des Landes vor sechs Monaten insgesamt 446,3 Milliarden USD. Das entsprach 44,9% des Bruttosozialprodukts der Türkei*. Und die Inflation? Das Statistische Amt TUIK spricht von jährlich 67,07%. Nicht zu vergessen, dass dieses Amt mittlerweile in das Propagandarohr der Regierung umgewandelt wurde. Ein unabhängiges Institut, die Inflation-Forschungs-Gruppe (ENAG) liefert eine völlig andere Zahl: jährlich 121,98%!

Das Fatalste ist jedoch, dass die Staatskasse vor langem ausgeleert wurde. Schon am Anfang des Jahres war sie im Vergleich zum letzten Jahr um 5% geschrumpft. Der angegebene Bestand beträgt jetzt nur 133 Milliarden USD, nicht mal ein Drittel der Gesamtschulden.

Erdogan sucht seit Monaten verzweifelt nach Auslandsinvestoren. Er gab Signale, dass er bereit ist, alles zu geben, was die Investoren verlangen würden: Steuerbegünstigungen, Unterdrückung der Löhne und Gehälter, Streichung des Streikrechts, daneben der Verkauf von Bodenschätzen, großen Ländereien und Immobilien usw. Er ging soweit, dass er Ägypten besuchte und Sisi, den er bis vor Kurzem mit sehr schweren Worten beschimpfte, als „mein lieber Bruder“ umarmte. Umsonst…

Verliebt in die Kader, die in den imperialistischen Kreisen Karriere gemacht haben**

Im Rahmen dieser weltweiten Suche importierte er eine Ökonomin aus den USA: Er nannte Hafize Gaye Erkan zu der Chefin der Staatsbank in der Erwartung, dass sie die Auslandsbörsen überzeugen könnte. Auch das funktionierte nicht. Obwohl, Erkan an der Spitze mancher großen Finanz- und Investmentfirmen tätig gewesen war, konnte man ihr keinen konkreten beruflichen Erfolg nachweisen. In Kürze sah man, dass sie nicht die richtige Person war, um Vertrauen zu schaffen. Ganz im Gegenteil. Es hat sich herausgestellt, dass in den USA ein Prozess gegen sie lief, mit der Beschuldigung, die Kund:innen bewusst falsch informiert, gegen die Bankgesetze verstoßen und die First-Republic-Bank in Konkurs gestürzt zu haben. Ob sie nach acht Monaten selber zurückgetreten ist oder von Erdogan gefeuert wurde, ist nicht ganz klar. Auf jeden Fall ist sie nicht mehr die Chefin der Staatsbank.

Ein zweiter Transfer kam aus England. Der vor kurzem zum neuen Finanzminister ernannte Mehmet Şimşek mit der Kariere als Chefökonom und Stratege für die Region Osteuropa, Naher Osten und Afrika bei Merrill Lynch, war einst ein enger Mitarbeiter von Erdogan. Schon 2008 wurde er als Zuständiger für den Fiskus und die türkische Zentralbank berufen. 2018 war er Finanzminister. Aber ein Zwischenfall zerstörte plötzlich die gute Beziehung zu Erdogan. Von heute auf Morgen setzte Erdogan seinen Stuhl vor die Tür mit schweren Vorwürfen, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen konnte. Er stempelte ihn als „Betrüger“ ab!

Jetzt erhofft sich Erdogan, dass dieser „Vertrauensmann der britischen Imperialisten“ (Simsek ist britischer und US-Staatsbürger) und „Finanzgenie“, der sich in den Heuschrecken-Kreise besonders gut auskennt, die Misere, die vor allem Erdogan persönlich verursacht hatte, wieder in den Griff bekommt.

Bis Ende März sind die Hände der Regierung gefesselt. Sie müssen bis zum Ende der Phase der leeren Versprechungen, das heißt bis zum nächsten Tag der Kommunalwahlen Geduld hervorbringen. Dann werden sie zuschlagen. Was Şimşek im Sinn hat, verriet er bereits: „Unterdrückung der Nachfrage auf dem Markt durch die Begrenzung des Kreditkarten-Gebrauchs bei Käufen mit langfristigen Zahlungszielen“. Was bedeutet diese Aussage, wenn man sie in den Volksmund übersetzt? „Die Armen werden noch ärmer! * Den Haushalten mit Mindestlohn werden ihre letzten Rettungsringe weggezogen.“

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* Nach offiziellen Angaben des Statistischen Amts TUIK beträgt der Anteil der Ärmsten 20% der Bevölkerung an dem Bruttosozialprodukt z. Zt. nur 5,9%.

** Auch der Sozialdemokrat Bülent Ecevit transferierte während der Krise in 2001 einen Ökonom, mit beachtlicher Karriere im Dienst des Imperialismus. Der US-Staatsbürger Kemal Dervis kündigte seinen langjährigen Job bei der Weltbank und kam in die Türkei. Sozialdemokrat Ecevit ernannte ihn zum verantwortlichen Staatsminister für Wirtschaft und Staatskasse mit beinahe grenzenlosen Befugnissen in seinem Bereich. Privatisierungen, Zerstörung der Staatsunternehmen, Streichung zahlreichen Errungenschaften der Werktätigen, Erhöhung des Rentenalters, Untergang der klein- und mittelgroßen Landwirte, die Diktate der IMF und der Weltbank… All mögliches Übel, was die USA- und EU-Imperialisten sich wünschten, realisierte er in kürzester Zeit. Das war zugleich die Vorbereitungsphase für die Macht der AKP. Dann ging er 2005 zurück zu seinen Freunden in die USA und wurde als Sekretär des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) gewählt. Dies war die dritthöchste Position in der Hierarchie innerhalb der Vereinten Nationen.