Ein Interview mit Kemal Okuyan,
dem General Sekretär über das 21. Internationalen Treffen der Kommunistischen- und Arbeiterparteien (IMCWP) und zur Entwicklung der internationalen Politik. (*)
Das 21. Internationale Treffen der kommunistischen- und Arbeiterparteien fand kürzlich in Izmir statt. Kommunistische Partei der Türkei wurde nach vier Jahren zum zweiten Mal Gastgeber. Wie war das Treffen im Allgemeinen und in Bezug auf die TKP?
Ja, nach 2015 fand das Treffen erneut in der Türkei statt. Wir haben das diesjährige Treffen zusammen mit der Kommunistischen Partei Griechenlands organisiert. Natürlich hat dies eher eine politische Bedeutung als eine technische. Die Beziehungen zwischen den beiden Parteien vertiefen sich und wir haben eine Phase hinter uns gelassen. Die Mitglieder der beiden Parteien nahmen gemeinsam an der Sitzung teil, die beiden Parteien bildeten gemeinsam den Versammlungsrat, und auf der Sitzung wurden zwei Eröffnungsreden gehalten. Das bedeutet mehr als symbolisch.
Es ist bekannt, dass die Kommunistische Partei Griechenlands und die TKP sehr ähnliche Ansichten innerhalb der kommunistischen Weltbewegung vertreten. Kann der erfolgreiche Abschluss des Treffens als Gewichtszunahme dieser Linie gewertet werden?
Wir sehen es nicht so. Zuallererst war es unsere Verpflichtung, die Effizienz und Sicherheit zu gewährleisten und zur Schaffung eines gesunden Beurteilungs- und Diskussionsumfelds zwischen den Parteien beizutragen. Dies ist das Erfolgskriterium des Treffens. Die Existenz unterschiedlicher Tendenzen unter den kommunistischen Parteien ist kein Geheimnis. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass in einigen Fällen diese Unterschiede sogar zu Widersprüchen werden. Andererseits stellen die kommunistischen Parteien eine große Anhäufung dar, in der ein gewaltiges Kampfexperiment dahinter steckt, und in einigen Ländern gehören die kommunistischen Parteien zu den führenden Akteuren in ihren Ländern. Die Treffen, die wir abhalten, sind für die Parteien von großer Bedeutung, um sich zu verstehen, einander zuzuhören, Experimente auszutauschen und die Zusammenarbeit zu entwickeln. Es ist für kommunistische Parteien möglich, zu einem mächtigeren, besser organisierten, kämpferischeren, revolutionäreren Prozess mit einer stärkeren Interaktion zwischen den Parteien, einer theoretischeren und mehr politischen Produktion überzugehen. Das Erfolgskriterium dieser Treffen ist nicht die Stärkung des einen oder anderen Trends, sondern die Stärkung der Interaktion zwischen den Parteien. In dieser Hinsicht war das Treffen in Izmir recht erfolgreich.
EINE REIFE, KONSTRUKTIVE, PRODUKTIVE, RESPEKTABLE PARTEI
Ist es möglich weiter zu öffnen? Was sind die Prioritäten der TKP in der internationalen kommunistischen Bewegung?
Zur Stärkung der Zusammenarbeit und der Solidarität zwischen allen Parteien beizutragen. Einen Beitrag zur Schaffung eines effizienten Diskussionsumfelds zu leisten. Alles zu tun, um gemeinsam den politischen und organisatorischen Erfolg der revolutionären Linie, zu der wir gehören, anzustreben. All dies in Gleichheit und in einer Kameradschaft zwischen den Parteien zu erreichen, ohne sich nicht in innere Angelegenheiten einzumischen. In dieser Hinsicht denke ich, dass die TKP zu einer reifen, konstruktiven, produktiven und angesehenen Partei gewachsen ist.
NÄCHSTES JAHRESTREFFEN IM DEMOKRATISCHEN VOLKSREPUBLIK KOREA
Steht es fest, in welchem Land das nächste Treffen stattfinden wird?
Es wurde in Izmir entschieden, dass das nächste Internationale Treffen der Kommunisten und Arbeiterparteien in der Demokratischen Volksrepublik Korea stattfinden wird.
Die TKP würde zur gleichen Zeit ein großes Treffen in İzmir im Aşık-Veysel-Freilicht-Theater abhalten. Die Veranstaltung wurde aufgrund der Entwicklungen in Syrien abgesagt. Können Sie den Grund für die Absage etwas näher erläutern?
Das Fest, das wir am 19. Oktober abhalten wollten, war eigentlich unabhängig von diesem Treffen. Unsere Delegierten aus dem Ausland und mehr als hundert Zuschauer aus Griechenland würden jedoch bei uns sein. Es bestanden aber Unsicherheiten darüber, in welche Richtung sich die Ereignisse in Syrien entwickeln würden. Es gab nun Zweifel darüber, ob sie Umstände, während die Türkei eine militärische Operation außerhalb der Grenzen führt, für so eine Veranstaltung geeignet wäre. Darüber hinaus bestand die ernsthafte Möglichkeit, dass der Gouverneur diese Aktivität untersagte. Wir haben uns zwar an solche Verbote gewöhnt, aber die mangelnde Gewissheit, ob eine Veranstaltung mit ausländischen Gästen und Referenten stattfindet oder nicht, hat uns zu diese Entscheidung gezwungen. Im Hinblick zu dem Inhalt der Veranstaltung und der sich schnell ändernden Agenda können wir jetzt sagen, dass wir eine richtige Entscheidung getroffen haben. Auf der anderen Seite sind solche Aktivitäten ein Teil unseres Kampfes. Das Leben und der Kampf gehen weiter.
Putin und Erdogan haben ein sehr umfassendes Abkommen über Syrien unterzeichnet. Was können Sie zu dieser Vereinbarung sagen?
Dieses Abkommen soll nicht allein, sondern in Zusammenhang mit der Vereinbarung zwischen den USA und der Türkei ausgewertet werden. Zusammen deuten sie darauf hin, dass die Spielregeln der Kämpfe neu definiert wurden und, dass sie in Syrien oder im Norden Syriens mit aller Härte fortgesetzt werden. In Grunde genommen haben sie gar keine Lösung und fast jeder Kapitel bleibt offen.
Die Medien versuchen die Ereignisse auf „Gewinner“ und „Verlierer“ zu fokussieren und von diesem Blickwinkel zu erklären. Dafür ist es zu früh. Wir wissen und beobachten, dass der US-Imperialismus, der Geißel aller Völker der Welt, Schwierigkeiten hat, seine Hegemonie in fast allen Teilen der Welt aufrechtzuerhalten. Sie bekommen in Syrien nicht das, was sie wollen, aber dieses Bild ist nicht neu, es ist gilt seit mehreren Jahren. Jetzt werden die USA weiterhin neue Wege beschreiten und mit „realistischeren“ Zielen für ihre eigenen Interessen kämpfen und leider weiter Blut vergießen.
In Syrien verzeichnet sich ein militärisches Ergebnis. Das deutet auf ein Erfolg für das syrische Volk. Aber es gibt noch keine Lösung. Die Türkei hat bereits die Grenzen eines souveränen Landes verletzt und rein marschiert. Darüber hinaus forderte sie eine Horde, die sogenannte „Syrische Nationalarmee“ die aus Banden entsteht, die seit Jahren als kriminelle Maschinerie tätig waren. Eine Lösung gibt es hier nicht. Derzeit herrscht enorme Unklarheit. Es ist ein Rätsel, wie sich die Beziehung zwischen der PYD oder der SDG und der Assad-Regierung entwickeln wird.
Die US-Militärpräsenz besteht nicht nur aus mit der „Tausend“ verschlüsselten Nummer. Sie werden Syrien nicht sofort verlassen. Der US-Imperialismus verfügt trotz Trumps frevelhafter Schritte immer noch über diverse Instrumente, um sich an die neue Situation anzupassen. Darüber hinaus befinden sich dort Soldaten von dutzenden Ländern und zehntausende reaktionäre Millitanten. Wie Russland seine eigene politische und wirtschaftliche Interessen unter Garantie nehmen wird… Der iranische Faktor… Der türkische Plan, um neue Städte zu bauen und die Einwanderer hier umzusiedeln… In Sochi gibt es keine Indizien über all dies. Es gibt wichtige Entwicklungen in Bezug auf die Regeln der nachfolgenden Kämpfe. Es wurden neue Regeln gesetzt, das ist alles.
Die Postion, die wir verteidigen müssen, ist, dass alle ausländischen Streitkräfte abgezogen und in Syrien illegal Eingereisten das Land verlassen werden, um die Einheit des Landes zu gewährleisten. Und, dass die Syrer ihren Teil dazu beitragen, eine libertäre, egalitäre und brüderliche Ordnung aufzubauen.
Nicht nur internationale Monopole, islamische Banden, nationalistische oder sektiererische Gruppen, sondern auch die liberale Wirtschaftspolitik vor dem Krieg brachte Syrien zu diesem Punkt. Wir sagen immer, dass Brüderlichkeit, Freiheit, Unabhängigkeit, Souveränität, Frieden und Demokratie im Zuge der Ausbeutung nur Träume und Lügen sind. Vermeiden Sie Imperialismus, Ausbeuter, religiösen und nationalistischen Fanatismus! Dies muss man auswendig im Kopf behalten. Sobald dies in Vergessenheit gerät, findet sich die Menschheit vor einer Katastrophe.
GEWINNER-VERLIERER-DEFINITION IST FALSCH
Was sagen Sie über die Idee, dass dieser ganze Prozess Erdoğans Hand stärkt?
Tägliche Auswertungen sollten vermieden werden. Vor einer Woche sagten einige: „Es ist vorbei, Sanktionen kommen“. In heutiger Welt haben die großen Mächte Schwierigkeit, die Spielregeln zu bestimmen, weil der Kapitalismus ist in eine geschichtliche Stockung geraten ist. Die große Macht ist diejenige, die fähig ist, angesichts von Überraschungen in einem turbulenten Umfeld ihre Position schnell neu zu definieren. Trotz Trump behält der US-Imperialismus diese Fähigkeit in gewissem Maße bei. Putin und sein Team haben Russland ein politisches Gewicht verliehen, das weit über seiner wirtschaftlichen Stärke liegt. Man muss zugeben, dass Erdoğan sich der internationalen Überlastung bewusst ist. In diesem wettbewerbsintensiven und wettbewerbsorientierten Umfeld, dem er sein politisches Leben verdankt, hat er ernsthafte Erfahrungen gesammelt.
Aber ihn beruhigt vor allem, dass er in seinem Hand einen untrüglichen Leitfaden über die Schwachstellen der Opposition hält. Erdoğan weiß, wie alle im Parlament vertretenen Parteien auf welchen Schritt reagieren und wie er innerhalb dieser Parteien Probleme schaffen kann. Jeder weiß, dass der letzte militärische Schritt in Syrien eine innenpolitische Seite hat, aber sie alle setzen das ihnen vorgelegte Szenario um. Interessanterweise denke ich, dass unsere Leute so weitermachen werden, bis unser Volk zu diesen Hacivat-Karagöz-Konflikt ** „stop!“ sagen wird.
Andererseits scheint mir die Feststellung, dass Erdogans Hand gestärkt wäre, zu sehr übertrieben. Was geschehen ist, erfordert von ihm die Überarbeitung eines wesentlichen Teils seines Kalküls. Er wird dies tun, aber dabei wird sich sein Handlungsfeld unvermeidlich zusammenziehen. Ich wiederhole: die Definition von Gewinnern und Verlierern ist falsch. Im Kampf zwischen internationalen Monopolen und dem Volk können die Völker nur unter einer Bedingung gewinnen. Diese Bedingung ist es, sich gegen die internationalen Monopole zu stellen und Positionen zu gewinnen. Ich sage denen, die träumen: von einem Projekt, das den Mund der türkischen Baumonopole verwässert, kann gar nichts kommen. Solange das Öl Syriens in den Händen privater Unternehmen liegt, können Frieden und Freiheit nicht von der Rede sein.
* Übernommen und übersetzt von dem Internet-portal der TKP, „soL“
** Alberne Auseinandersetzung von zwei Charaktere aus dem traditionellen Schattenspiel aus osmanischen Zeit. (Die Handlungen beinhalten auch eine gewisse Kritik der Gesellschaft.)
Interview nach der
IMCWP mit
Kemal Okuyan
(TKP-Generalsekretär)
Eröffnungsrede
Kemal Okuyan
(TKP-Generalsekretär)
A-Z Liste aller Parteien, die einen Beitrag geleistet haben.
Bildergalerie
58 Länder, 74 Parteien
und 137 Delegierte