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Die Bundesrepublik Deutschland und
der Militärputsch vom 12. September 1980

Veli Demirci

Die größte Unterstützung für den 12. September kam, den USA folgend, von der Bundesrepublik Deutschland, von der SPD-FDP-Koalitionsregierung, deren Kanzler der Sozialdemokrat (SPD) Helmut Schmidt war. Nicht, weil sie die Faschisten mochten, sondern, weil sie die Linke und den Sozialismus, welche keinen Bezug zum Kapital hat, zu Tode fürchteten und hassten.

Auch die NATO bereitete sich 1976 auf einen Staatsstreich in Italien vor, für den Fall, dass die Kommunisten einen möglichen Wahlerfolg erzielen könnten. Noch im selben Jahr besprachen der US-Außenminister Henry Kissinger und der ehemalige Bundeskanzler Deutschlands sowie damaliger Vorsitzender der Sozialistischen Internationale Willy Brandt bei einem Treffen, die Methoden zur Bekämpfung des Kommunismus in Europa und die von Deutschland gelistete Hilfe. (1)

Offensichtlich resultierte daraus, dass die SPD, genauso wie die anderen bundesdeutschen Parteien, nach 1974 mittels ihrer Stiftungen den Umfang der “Hilfen” zwecks “Bekämpfung des Kommunismus” in Spanien und Portugal auf Griechenland und die Türkei ausgebreitet hatten. In der deutschen Presse wurde im Jahr 2000 berichtet, dass die SPD und andere Parteien den Schwesterparteien in den genannten Ländern Geldmittel durch Geheimfonds aus dem Budget des deutschen Sicherheitsdienstes zur Verfügung stellten und sie selbstverständlich auch verdeckt in Höhe von Millionen Mark finanziell unterstützten (2).

Mit dem 12. September flossen die finanziellen Mittel nun eindeutig an die Junta. Der SPD- Bundesfinanzminister Hans Matthöfer klapperte die Golf-Länder ab, um nach dem 12. September Mittel und Kredite für die Türkei aufzutreiben.

Selbstverständlich wurde unterdessen auch die weit verbreitete Folter in den Kerkern des 12. Septembers lautstark verurteilt. Mit dem Rubikon-Skandal, das dieses Jahr aufgedeckt wurde, kam heraus, dass Deutschland, genauso wie die USA, anhand von manipulierten Chiffregeräten über den vorhergehenden Verlauf des Putsches und über viele Ereignisse im nach hinein, informiert wurde (3).

Daher sollte es kein Zufall sein, dass Deutschland im Juli 1980, kurz bevor der Putsch in der Türkei umgesetzt wurde, ankündigte, dass für alle, die nach dem 5. Oktober aus der Türkei kommenden eine Visumspflicht gelten werde. Die Verbündeten der Türkei bereiteten sich ebenfalls auf den Putsch vor.

Nachdem die 30-jährige Geheimhaltungsverordnung abgelaufen war, erstellte das für die Türkei zuständige Referat vom bundesdeutschen Auswärtigen Amt Dokumente, in denen hervorgeht, dass die deutschen Bundesdiplomaten bezüglich des angesetzten Putsches, folgendes in Erwägung zogen: “Wir sollten eine eventuelle Intervention der militärischen Mächte in der Türkei, trotz der zu erwartenden Mängel bezüglich der Demokratie, die eintreten werden, nicht von vornherein als negativ betrachten […] Die Krankheit des Landes befindet sich in so einem fortgeschrittenem Stadium und die Entwicklungen in der Region haben so eine dramatische Wendung genommen, dass eine starke Medizin indiziert erscheint.” (4)

Die Türkei war wichtig für die Bundesrepublik Deutschland, weil sie als NATO-Mitglied direkt an die Sowjetunion angrenzte. Darüber hinaus war sie auch ein großer, wenn auch nicht sehr entwickelter Markt mit engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland. Noch wichtiger ist, sie galt nach dem Verlust des Iran im Mittelosten als Kandidatenland für die Rolle des Rammbocks des Westens. Eine Türkei mit einer starken Linken war instabil. Die Bedeutung der Türkei ging aus ihrem Potenzial hervor.

Nach den Verordnungen vom 24. Januar war bezüglich der Investitionen ein enormer Anstieg des deutschen Kapitals in der Türkei zu beobachten, und das, obwohl sie wirtschaftlich und politisch in einer Krise steckte und die Inflationsrate bei ca. 100% lag. Man kann davon ausgehen, dass das deutsche Kapital nach den Verordnungen vom 24. Januar eine Entwicklung erwartete (5).

Einige Tage nach dem Putsch, gab der SPD’ler Bundeskanzler Schmidt bekannt, dass die Förderungen der Türkei weiterhin bestehen würden und legte somit die Position Deutschlands offen(6).

Desinteresse bei den deutschen “radikalen” Linken

Die Annäherung der deutschen Linken an den Putsch war im Allgemeinen bemerkenswert. Eines der wichtigsten langjährigen politischen Aktivitäten der türkischen Linken, die nach dem Putsch aus der Türkei gekommen waren, war der Kampf gegen die Ordnung des 12. Septembers (7).

Bemerkenswert ist auch, dass der 12. September nicht einmal oberflächlich ins Interessengebiet der Westdeutschen Linken fiel. Dass die Beurteilung in den Publikationen der pro-sowjetisch orientierten Organisationen wichtig aber schwach ausfielen, ist wohl mit der damaligen politischen Einstellung der Sowjetunion und der TKP rechtzufertigen; die Gleichgültigkeit der “radikalen Linken” jedoch, die sich weitgehend von der Sowjetunion distanzieren, ist noch aufzuklären.

Die Aufmerksamkeit der deutschen Linken richtete sich nach 1981 auf Polen, das problematische Land des sozialistischen Blocks. Die deutsche Bourgeoisie eilte samt Staat und ihren Parteien der faschistischen Junta in der Türkei, also ihrem Klassenbruder zur Hilfe. Die Kapitalherrschaft war der gemeinsame Nenner der “Freiheit” in Deutschland und des Folterregimes in der Türkei.

Der Grund für das Interesse an Polen und für das Desinteresse gegenüber der Türkei lag genau hier. Auch wenn es umstritten sein mag, wie ernst sie es vorher nahmen, ihre Gleichgültigkeit wurzelte im Verzicht auf die vom Klassenverständniss ausgehende Forderung nach Revolution und das damit verbundene Ziel des Sozialismus.

Der “weiße Terror”, der im “Deutschen Herbst” 1977 von den Sozialdemokraten durchgeführt wurde und auch die Meinungsführer der türkischen Bourgeoisie inspirierte, zeigte der radikalen Linken die Grenzen der bürgerlichen Demokratie auf. Einige von ihnen haben sich allmählich – vielleicht ohne es überhaupt zu bemerken – dem bürgerlichen Kapitalsystem und dem Liberalismus eines imperialistischen Landes angepasst. Die meisten von ihnen jedoch wussten, was sie taten: Sie verkauften ihre Seelen (8).

Polen war wie geschaffen für dieses Konzept: “In einem sozialistischen Land lehnten sich die Arbeiter gegen die Bürokratie auf. Der reale Sozialismus konnte also die Probleme der Arbeiter nicht lösen. Oder die Arbeiter waren undankbar.”

Aus demselben Grund passte die Türkei jedoch nicht in das Konzept. Der Putsch richtete sich gegen die Linke, gegen die Arbeiterklasse. Er wurde unterstützt von den USA, der NATO und speziell von der Bundesrepublik. Sie waren eindeutig auf der Seite des Kapitals. Die zum ersten mal umfangreich in Chile umgesetzte Idee des Wirtschaftsliberalismus der Chicagoer Schule, war auch in der Türkei das grundlegende wirtschaftliche Programm.

Sich auf die Türkei zu fokussieren, würde bedeuten, den eingeschlagenen Weg, also die Bourgeoisie-Ordnung infrage zu stellen. Jedoch ließen diese Route und die dazugehörigen Beziehungen es nicht mehr zu.

Literatur:
http://www.redglobe.de/index.php?option=com_content&task=view&id=2068&Itemid=1
Süddeutsche Zeitung, 03.02.2000, Geheimfonds der Regierung Schmidt enthielt 52 Millionen Mark
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/cryptoleaks-bnd-cia-operation-rubikon-100.html
Dr. Tim Szatkowski, Realpoltik oder Menschenrechte? https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/bundesrepublik_tuerkei
Osman Çutsay, 12 Eylül Bir Alman Pastası, İstanbul, 2018, sf. 81
Osman Çutsay, 12 Eylül Bir Alman Pastası, İstanbul, 2018, sf. 130) <–(15.09.1980 tarihli FAZ, sf.11’den aktaran Çutsay
Veli Demirci, Bilgisizlikle ilgisizlik arasındaki Alman solu, Boyun Eğme Almanya, Sayı 5.
Oktay Ekşi, Teröre topyekûn savaş…, Hürriyet, başyazı, 17.03.1999, sf. 1